Märchen - Teil 1

Das Märchen vom Rechtsweg

Immer wieder hören wir es gern und mit zuversichtlich leuchtenden, großen Augen in der Märchenstunde der Politiker, Ministerialbeamten und sogar bei Journalisten :

Das Märchen vom Rechtsweg, oder treffender: die Fatamorgana vom Rechtsweg.
Irgendwo hinten in der Ferne funkelt verheißungsvoll die Gerechtigkeit, der Richter, der hinhört, mitdenkt, ermittelt, fragt.
Der Richter der zweiten Instanz.

Der erste Richter faul, desinteressiert, abfällig zu einer der Parteien ? Uninformiert und unwillig bei jedem Termin ?
Der Sachverständige komplett ohne Sachverstand, an der Grenze zum Betrug oder längst mitten drin ?

Alles kein Problem, soglauben wir. Es gibt doch den Rechtsweg und die nächste Instanz.
Die nächste Instanz richtet es, weist den Schlamper und den Faulen zurecht, entfernt den Scharlatan aus der Szenerie. Alles wird gut, Wahrheit und Sorgfalt kehren zurück. Doch nicht “in Gottes Hand wie auf hoher See” sondern vor einem Deutschen Gericht, wo alles mit Sorgfalt, Ehrlichkeit  und Ordnung zugeht, wenigstens in der nächsten Ebene ?

Nein. Denn der Rechtsweg steht nur am Papier. Er ist – besonders im Familienrecht - eine Fatamorgana.
Und die Grundhaltung „Der Bürger kann ja in die nächste Instanz gehen“ zeigt die Verachtung all jener für Recht und Gerechtigkeit, die diesen Satz so unbedacht aussprechen.  Es ist ein Satz mit dergleichen gedanklichen Tiefe wie :
„Wenn wir das falsche Bein amputieren, es gibt heute ganz tolle Prothesen, da schicken wir sie dann weiter“

Bereits die erste Instanz bringt die meisten Betroffenen rasch an ihre finanziellen und nervlichen Grenzen.
Werden – wie im Familienrecht üblich – Verfahren über Jahre hin gezogen, schafft die Zeit Fakten.
Ich unterstelle, daß die Verzögerung eines Familiengerichtsverfahrens zum Kalkül vieler Familienrichter gehört in der Absicht, sich so vor einer Entscheidung zu drücken. Denn einen sachlichen Grund, warum nicht binnen längstens 3 Monaten ein Beschluß getroffen werden kann vermag ich nicht zu erkennen. 3 Monate sind genug Zeit, um sich selbst ein Bild zu machen, alle Anträge zu studieren und in sehr, sehr  wenigen Ausnahmefällen einen hochqualifizierten Gutachter zu befragen. Jedes Verfahren, das länger dauert, schürt nur weitere Konflikte.  >> Besser machen

Wenn nicht Vermittlung angestrebt ist und auch aktiv betrieben wird ist die Zeit des sich schleppenden Verfahrens eine unglaubliche Qual für alle und vertieft nur die Gräben.  >>  Petition Verfahrensdauer

Ist Entfremdung eines Kindes von einem Elternteil erst einmal eingetreten, kann das auch die nächste Instanz nicht mehr ändern. „Justice delayed ist justice denied“ oder etwas etwas sperrig im Deutschen : Späte Hilfe ist verweigerte Hilfe bzw. Spätes Recht ist verweigertes Recht.

Die Arbeit der Oberlandesgerichte kann nur in Anspruch nehmen, wer nach der ersten Instanz noch Kraft und sehr viel Geld hat. Ob dort alles nochmals unvoreingenommen neu aufgerollt wird ist mehr als fraglich, schlicht von Richter zu Richter verschieden.
Und: die Zeit hat schon ganz andere Fakten geschaffen als bei Beginn der Erstinstanz.
Die häufig rudimentären und nicht durchwegs korrekten Protokolle der Vorinstanz machen die Wahrheits- oder Lösungssuche auch nicht einfacher, selbst wenn gewollt.
Leider scheint auch bei den Oberlandesgerichten nicht immer die Unabhängigkeit und Wahrheitssuche ohne Ansehen der Vorinstanz und Personen im Vordergrund.

Böse Stimmen behaupten, die Augenbinde der Justitia symbolisiere die Arbeitshaltung, Anträge und Akten nicht zu lesen und auch sonst gerne wegzusehen.

Im Münchener Großraum beispielsweise hat sich ein Netzwerk gebildet, bei dem die Verknüpfungen zwischen Gutachterverbünden, Verfahrensbeiständen und Jugendämtern so eng sind, dass möglicherweise eine kritische Betrachtung der Einschätzungen der anderen am Verfahren Mitwirkenden und Beteiligten nicht mehr möglich ist.
Bequem wohl, aber nicht rechtsstaatlich.
Der Eindruck, die engen Verknüpfungen kämen durchaus nicht mehr der Wahrheitsfindung, Gerechtigtkeit und dem Kindeswohl zu Gute, macht sich da öfter breit als es für einen “Rechtsstaat” gut ist.
Und bisweilen auch der Verdacht, dass bei den lokalen Netzwerken finanzielle Interessen und der problemlose, eingespielte Ablauf ohne viel Mühe einen Stellenwert haben könnte, der nicht mit rechtsstaatlichen Vorstellungen in Einklang steht.  >> Vorwort

Da könnte es durchaus sein, dass Gutachter ausgewählt werden, die auch das Ergebnis liefern, das benötigt wird,
etwa, um eine bereits erfolgte Inobhutnahme zu begründen.
Und andersherum „übersehen“ Richter und Jugendamt, dass in einem Gutachten der Vorinstanz oder in den eingebrachten Stellungnahmen doch arg die Substanz fehlt und die Korrelation zur Wirklichkeit nicht allzu eng ist.

Auch fachlich bleibt nicht selten nur Verwunderung.
So schreibt beispielsweiese das OLG München im Urteil  4 UF 1827/12  am  15.1.2013 zum Wechselmodell:
 „Nach der Rechtssprechung kann ein Betreuungs/Wechselmodell nicht gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden, da § 1684 BGB dafür keine Grundlage bietet“.
Nun mag dies vielleicht die Haltung des OLG München sein, eine einheitliche Rechtssprechung gibt es aber zu dieser Frage keinesfalls und – ganz im Gegenteil – zunehmende Zweifel an dieser in sich völlig unlogischen und keineswegs kindeswohlzentrierten Haltung. Dies sollte ein OLG eigentlich wissen.
Wie wenig schlüssig die Argumentation des OLG ist führt etwa Dr. Christoph Mandla mit ebenso klugen wie klaren Worten vor.

Das Bundesverfassungsgericht ist kaum erreichbar.
Neben vielen formalen Fallen ist schon die Fristsetzung von 4 Wochen kaum einzuhalten. Formal braucht man keinen Anwalt – realiter wird der Gang zum BVerfG ohne Anwalt nicht realisierbar. Enorme Kosten also, ein drittes mal dann.
Egal, denkt mancher, es sind Haus, Auto, Sparbuch eh schon weg. Frau und Kind ja ohnehin. Die Schulden drücken.
Die Seele ist angeschlagen. Trotzdem, ein Versuch.

Das Bundesverfassungsgericht nimmt nur einen höchst selektierten Kreis an Beschwerden an.
Die einfache Schlamperei, die Parteilichkeit, die bedauerliche Inkompentenz, das gefälschte Gutachten ?
Kein Fall für das BVerfG, da nicht von allgemeinem Belang und auch keine erkennbare Grundrechtsverletzung.
§ 90 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) grenzt hier streng ab, auch wenn man vieles nicht nachvollziehen kann.

Leider kann aber das BVerfG schon formal seine eigenen Ansprüche nicht einlösen. Denn es gibt keine Begründung, wenn ein Verfahren nicht angenommen wird. (BVerfGG § 93 d) Unterstellt man, dass die Inhalte zumindest überflogen werden, um zu einer Entscheidung über Annahme oder Ablehnung und Relevanz zu gelangen, gehörte sich wenigstens ein Dreizeiler als die Antwort. Ein faires und transparentes Annahmeverfahren ohne Begründung ? Schwerlich.

Wenn also nicht einmal das höchste Deutsche Gericht transparent und nachvollziehbar arbeitet und Vorbild ist: 
Wo sollte noch Hoffnung auf den Rechtsweg sein ?

Und im besten Fall ? Das BverfG hebt ein Urteil auf ? Dann beginnt das “Spiel” von neuem oder der Gesetzgeber ignoriert die Entscheidung des BVerfG über weitere Jahre.  >>  Rechtsstaat ?

Er liegt also irgendwo zwischen Märchen und Farce: Der Rechtsweg

 

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