Fall 2 - Leon u. John

Beispiel Leon und John :  Vermuten, behaupten, Grundrechte negieren !

Die BILD Zeitung ist nicht durchweg als erstklassige Informationsquelle bekannt.
Immerhin:
Im Vergleich zu einem typischen „Familiengerichtlichen Sachverständigengutachten“ ist sogar die BILD Zeitung eine Festung der seriösen und fundierten Recherche mit höchster wissenschaftlicher Exzellenz.

Der Fall aus der Bild vom 30.12.2013 ist typisch und nur in seinem letztlich „gutem“ Ausgang untypisch. Er zeigt exemplarisch, was sich durch fast alle Familiengerichtlichen Verfahren und die Tätigkeit des Jugendamtes wie ein Rotes Band zieht :

Die Negation der Unschuldsvermutung, der komplette Verzicht auf eigene Recherche und die Verweigerung, mit Betroffenen zu sprechen.
Und die Grundhaltung, dass Eltern per se erziehungsunfähig oder gewalttätig sind.

Laura Gehrmann berichtet in der Bildzeitung vom 30.12.2013 :

„Jugendamt nahm uns für 6 Monate die Kinder weg, weil Gutachterin Erbkrankheit für Misshandlungen hielt

2011 haben Kevin D., seine Frau Stefanie und Sohn Leon (damals 5 Monate) einen leichten Autounfall. Im Krankenhaus schöpft eine Ärztin Verdacht auf Kindesmisshandlung.
Ohne das Wissen der Eltern lässt sie aufgrund von Hirnblutungen ein Gutachten von einer Rechtsmedizinerin erstellen. Ein Jahr später – ein weiteres Kind, John, ist nun 6 Monate - steht das Jugendamt vor der Tür. „Sie hielten uns ein Papier vor die Nase und nahmen uns die Kinder weg“ sagt Papa Kevin. Das Schriftstück besagt: Leons Kopfverletzungen stammen nicht vom Unfall. Sie weisen angeblich auf ein Schüttel-Trauma hin. Die Kinder kommen für sechs Monate in unterschiedliche Pflegefamilien. „Wir sahen sie nur einmal pro Woche. Jeder Abschied war eine Qual.“

Die Eltern ziehen vor Gericht, das ein neues Gutachten veranlasst.
Ergebnis: Keine Kindesmisshandlung ! Die Jungs leiden am mütterlicherseits vererbten Hydrocephalus („Wasserkopf“), bei kleinsten Schädel-Erschütterungen kommt es zu Blutungen im Hirn. (...) Jetzt sind Leon und John wieder zuhause, doch nichts ist mehr wie es war. „Die Jungs sind verängstigt, weinen viel“ so die Eltern.  (...) Jürgen Schwerdt vom Jugendamt rechtfertigt sich: „Hätten wir nichts getan, sich der Verdacht aber bestätigt, wäre das Amt wegen „Nichtstun“ in Kritik geraten.“

Sehen wir uns diesen Fall genauer an.

Die Arbeit des Jugendamtes – und das muss man zugestehen  – ist  undankbar.

Immer wieder stehen Jugendämter in den Negativschlagzeilen, weil Kinder verhungern und verdursten. Nicht selten bei Pflegeeltern, die das Jugendamt zuvor noch selbst ausgewählt hatte. Oder weil Kinder mißhandelt werden und “fein portioniert” im Kühlschrank gefunden werden, ohne dass das Jugendamt tätig geworden wäre.

Dies ist natürlich immer eine Katastrophe in jeder Hinsicht und vermutlich der Grund, warum Jugendämter immer schneller und ohne ernsthafte Prüfung Kinder in Obhut nehmen.
Böse Zungen vermuten gar ein Kinderklaumafia ; zumindest gibt es allerdings überaus lukrative Geschäfte mit Heimunterbringung, Auslandsbetreuung und anderen Hilfsmaßnahmen.
Die Zahl der Inobhutnahmen hat sich seit ca. 10 Jahren verdoppelt.
Dass sich die Charaktere, die Moral, die Erziehungsfähigkeit von Eltern in den letzten 10 Jahren allerdings erheblich verschlechtert hätten ist sehr unwahrscheinlich.

Hier handelt es sich schlicht um eine staatliche Überreaktion, die durch nichts begründet ist.

Fälle in denen das Jugendamt eine Gefährdung übersah finden sich sofort in der Presse.
Die viel häufigeren, in denen ein Jugendamt unbegründet Familien zerreißt werden kaum publik.

Im vorgehend geschilderten Fall der Zwillinge kommt etwas Typisches und für Familiengericht und Jugendamt Bezeichnendes hinzu: Die Weigerung, sich mit den Beschuldigten zu befassen und Behauptungen zu überprüfen. Hätte das Jugendamt die Eltern zu den (geheim betriebenen) Vorwürfen gehört und sich ein eigens Bild vom Umgang der Eltern mit den Kindern gemacht, wären vermutlich durchaus Zweifel aufgetaucht, ob es sich hier um gewalttätige Rabeneltern handelt.

Das Jugendamt hatte immerhin ein Jahr Zeit, sich ein Bild von der Familie zu machen. Doch nichts davon hielt man für nötig. Stattdessen wurden ohne jegliches rechtliches Gehör die Kinder der Familie entrissen und erst einmal Fakten geschaffen. Eine schwere Traumatisierung der Kinder und Eltern, die bei überlegter, seriöser Arbeit vermeidbar gewesen wäre.

So kann man es auch nur als Hohn und Verachtung werten, wenn denn Jürgen Schwerdt vom Jugendamt sich rechtfertigt mit „Hätten wir nichts getan, sich der Verdacht aber bestätigt, wäre das Amt wegen „Nichtstun“ in Kritik geraten.“

Wenn das Jugendamt 1 Jahr brauchte, bis die Kinder in Obhut genommen wurden, obgleich es doch von der Gewalttätigkeit der Eltern überzeugt war, stellt sich auch die Frage, wie ernst  man seine eigene Gefährdungseinschätzung nahm.

Der erstbehandelnden Ärztin ist der Vorwurf zu machen, dass Sie die Eltern nicht über Ihren Verdacht aufklärte. Auch dem vermutlich von Anfang an involvierten Gericht und Staatsanwalt muss dies vorgeworfen werden. Immerhin war eine Rechtsmedizinerin beteiligt – die Rechtsmedizin arbeitet nicht auf eigene Initiative. Im Gespräch mit den Eltern hätte sich vielleicht auch eine Familienanamnese erheben lassen und auf den richtigen Weg weisen können.

Aussergewöhnlich an dem Fall ist, dass es ein weiters Gutachten gab. Ob dies in der ersten oder einer Folgeinstanz veranlasst wurde ist mir nicht bekannt. Seltenst wird von einem Gericht ein vorhandenes Gutachten auch nur ansatzweise hinterfragt oder gar ein neues veranlasst. Dies ist eine wirkliche, absolute Rarität.

Auch wenn dieser Fall komplex ist, zeigt er doch die immer gleichen Abläufe im Familiengericht sehr gut :

Fernbegutachtung, Verweigerung von rechtlichem Gehör, pauschale Schuldvermutung, schlampige Ermittlungen und überlange Verfahrensdauer. Weder Eltern noch Kinder werden diese traumatische Justizerfahrung je ausheilen können.

Die Summe des Leids, dass durch unberechtigte Kindeswegnahme Eltern und Kindern angetan wird schätze ich als größer ein als die Summe des zu Recht verhinderten Leids.

Das Engagement einiger forensisch tätiger Kollegen “Pro Jugendamt” sehe ich daher sehr kritisch. >>  Tsokos und Guddat.

 

 

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