Beispiel 1 ist dem Buch „Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey“ von Sophie Seeberg entnommen. Dieses überwiegend mit verächtlichem Unterton geschriebene Buch der “Familienpsychologin” Seeberg wäre an sich keinerlei Erwähnung wert, würde es nicht in eindrücklicher Weise exemplarisch die unfassbare Selbstherrlichkeit und Inkompetenz Familiengerichtlicher Gutachter vorführen.
Sehen wir uns also den Fall der kleinen Karolin Peters - wie sie im Buch heißt - und ihrer Mutter in der Wahrnehmung der „Psychologin“ einmal an. Und natürlich auch das Verhalten des Jugendamtes und Gerichtes.
Ausgangslage :
Ihrer Grundschullehrerin teilt Karolin mit, dass sie keine Kinder mit nach Hause bringen dürfe. „Eine engagierte Lehrerin nahm sich vor, Karolin zu unterstützen und ihr dabei zu helfen, Freundschaften zu schließen. Das gelang auch recht gut. Nachdem Karolin ihr dann aber eines Tages erzählte, dass sie ihre neuen Freundinnen nicht zu sich einladen dürfe, entschloss sich die Lehrerin, nach der Schule mit Karolin nach Hause zu gehen, um mit Frau Peters zu sprechen und ihr zu erklären, dass es wichtig sei, dass das Mädchen auch in ihrem Zuhause mit anderen Kindern spielen könne. Frau Peters ließ die Lehrerin nicht in die Wohnung. Sie konnte aber dennoch erkennen, dass zumindest der Eingangsbereich voller Müllsäcke stand und sie konnte riechen, dass dieser Müll schon mehrere Tage, wenn nicht gar Wochen, dort stehen musste. Die Lehrerin informierte umgehend das Jugendamt.“
Ein engagierte Lehrerin besucht also in ehrwürdiger Absicht eine Mutter zuhause und findet desolate Wohnverhältnisse vor. Sie schaltet das Jugendamt ein und das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Ohne sich selbst groß zu kümmern wird vom Jugendamt sofort eine vermeintliche Sachverständige beauftragt, hier Frau Seeberg, aber es könnte auch jeder beliebige andere „Gutachter“ sein. Die „Sachverständige“ besucht also die Mutter zuhause, nachdem diese aufgeräumt hat und findet akzeptable Wohnverhältnisse vor. Zunächst damit also Entwarnung. Zuvor war Karolin schon notfallmäßig - und vermutlich rechtswidrig - in Obhut genommen worden. Doch beim Verlassen des Hauses fällt Frau Seeberg auf, dass sie doch gerne den Keller sehen würde.
Und siehe da: hier ist der ganze Unrat aus dem Messie Haushalt samt 6 Helfershelfern versteckt. Welch eine Zumutung: Die Sachverständige hätte also eiskalt getäuscht werden sollen, das Kind wieder in die desolate Umgebung zurückkommen sollen ?
Nun, da versteht die narzistisch gekränkte Psychologin keinen Spaß mehr und hat auch keine Hemmung vor Rache : „Bei Frau Peters verstand ich keinen Spaß, und Frau Peters selbst war ebenso wenig zum Lachen zumute wie ihren erstaunlich hilfsbereiten und scheinbar zu allem entschlossenen Freunden, die dort unten in dem Keller über eineinhalb Stunden ausgeharrt hatten. Ein Teil von mir musste unweigerlich an die kleine Karolin denken, die bislang keine Chance gehabt hatte, irgendwelche Freunde zu finden. Entsprechend fiel meine Begutachtung aus und erfreulicherweise fand sich für Karolin ein Platz in einem sehr gut geführten Heim, wo sie auch regelmäßig Kontakt zu ihrer Mutter hatte. Allerdings ohne Besuche im Haus von Frau Peters.“
Analyse :
Bravo Frau Seeberg, wie investigativ, mögen jene Beifall klatschen, die bei amazon 4 und 5 Punkte vergeben und ein eher flaches Weltbild haben. Die Mutter wollte die Sachverständige täuschen ! Da ist ein hartes Urteil wohl berechtigt!
Doch sehen wir uns den beschriebenen Fall einmal sachlich und fundiert an:
Ohne daß diese Begriffe je fallen wird hier eine Situation beschrieben, die mit einem Messie Syndrom der Mutter zu bezeichnen wäre und damit wäre auch die Frage nach der Erziehungsfähigkeit der Mutter verbunden. Nur falls diese verneint werden muss und zudem eine Gefahr für das Kind Karolin bestehen würde, könnte überhaupt eine Inobhutnahme überlegt werden.
Alle relevanten Fragen bleiben in der „Begutachtung“ durch Frau Seeberg offen und willkürlich und dies ist exemplarisch für familiengerichtliche „Gutachten“.
Befassen wir uns zunächst mit der Mutter, Frau Peters :
Besteht der Verdacht auf ein Messie-Syndrom so ist eine weitere Abklärung zwingend ! Der Begriff des Syndroms verrät, dass es ein Krankheitsbild ist, dem verschiedene Ursachen zugrunde liegen können. Zu denken ist dabei an eine Schilddrüsenunterfunktion ebenso wie eine Schilddrüsenüberfunktion, das Cushing-Syndrom, Demenz, Depression, das Parkinson-Syndrom, Psychosen. Medikamentennebenwirkungen oder einen Hirntumor, Folsäuremangel, Vit. B12 Mangel, Überlastung und einige andere Krankheiten mehr.
Alle diese Krankheiten können mit mindestens passablen, oft aber extrem guten Erfolgen behandelt werden. Offenkundig ist der Unterschied zwischen „Unordnung“ und „compulsive-hording, wie das Messie Syndrom eigentlich heißt, der angeblichen Gutachterin aber ebenso unbekannt wie die zwingende Notwendigkeit weiterer medizinischer Diagnostik. Zur sozialen Situation der Mutter wird nichts weiter mitgeteilt. Immerhin hat aber Frau Peters ganz offenbar einige sehr gute Freunde, die sogar bereit sind, sie bei unangenehmen Aufgaben zu unterstützen, namentlich dem Wegräumen von Müll, und sich dafür auch in eine unbequeme Lage im Keller bringen. Dies ist an sich positiv zu werten und muss daher von der „Sachverständigen“ umgedeutet werden : Aus den hilfsbereiten Freunden werden zu allem entschlossene Helfershelfer.
An Hilfe denkt Frau Seeberg aber ohnehin nicht. Gleiches gilt für das Jugendamt und das Gericht.
Wenden wir uns nun der Hauptperson zu, der kleinen Karolin, die – und auch das ist bezeichnend und absolut typisch für „Familiengerichtsgutachten“ – in der Begutachtung allenfalls am Rande vorkommt.
Ganz offenkundig ist Karolin in der Schule bisher weder durch ungepflegtes Aussehen, schlechte Kleidung, Fehlernährung, untypisches Verhalten oder schlechte Leistungen aufgefallen. Zumindest wird darüber nichts berichtet und es war auch nicht Anlass für den Besuch der Lehrerin. Auch neue Freunde findet Karolin. Mit Sicherheit hätte uns Frau Seeberg auch in spöttisch-abwertendem Ton mitgeteilt, wenn Karolin gehäuft Magen-Darm Infekte gehabt hätte oder öfter krank wäre. Statt den Keller anzusehen, wäre es der „Sachverständigen“ gut angestanden, sich das Zimmer von Karolin anzusehen und Karolin zu befragen, ob auch ihr Zimmer ähnlich ausgesehen habe wie der Rest des Hauses. Aber um Karolin geht es ohnehin nicht.
An sich fehlt also jede Begründung für die Inobhutnahme des Kindes, sollten nicht Umstände hinzutreten, die in der Falldarstellung nicht erwähnt sind. Jedenfalls scheint die Mutter ihrem Erziehungsauftrag bisher durchaus gerecht geworden zu sein.
Mit Karolin befasst sich die „Sachverständige“ ohnehin nicht, über die Wünsche des Kindes wird nichts mitgeteilt. Eine Bindungsdiagnostik unterblieb ebenso wie die Frage, ob Karolin überhaupt in eine Pflegefamilie wollte. Dies ist eher unwahrscheinlich.
Gleichfalls vollstädig ausser Acht bleibt, wie Mutter und Kind miteinander umgehen. Besteht eine liebevolle, herzliche Beziehung ? Erfährt das Kind Geborgenheit, Unterstützung, Zuwendung ? Gibt es gemeinsame Aktivitäten, wie wird das Kind gefördert ? Und lachen die beiden auch mal zusammen ?
Diese Fragen nach Geborgenheit, Förderung, Vertrauen usw. könnte man ganz altmodisch auch als Band der Liebe zwischen Kind und Eltern bezeichnen bleiben völlig unbearbeitet. Nicht ein einziger Gedanke der vermeintlichen Sachverständigen findet sich hierzu.
Vermutlich wurde mit dem Kind, das immerhin mindestens 5 Jahre alt sein muss, nie gesprochen, von keinem der Beteiligten. Im Familiengericht ein nicht unüblicher Vorgang : Nicht mit Menschen reden, sondern nur über sie.
Einem vielleicht saubereren Umfeld in einem Pflegeheim steht ein Bindungsabbruch zum leiblichen Elternteils gegenüber, somit ein massiver Eingriff in die Grundrechte von Mutter und Kind. Dass Verhältnis von Mutter und Kind wurde nicht einmal grob untersucht wurde.
Wird Karolin dort mehr Liebe erfahren als bei ihrer Mutter ? Oder nur satt und sauber sein ? All dies wissen wir nicht und es ist auch der vermeintlichen Sachverständigen keinen einzigen Gedanken wert.
Bei soviel Inkompetenz ist es nur schlüssig, dass natürlich auch nicht gefragt wird, ob es alternative Möglichkeiten der Betreuung geben würde, etwa beim Vater ( der nie erwähnt wird – ist Karolin ein Retortenbaby ? ) Onkeln und Tanten, Oma, Opa. Hilfen wurden weder vom Jugendamt angeboten noch von der „Sachverständigen“ angeregt.
Der Fall „Karolin Peters“, wie ihn uns Frau Seeberg erschreckend stolz schildert, ist typisch für die Arbeit von „Psychologischen Sachverständigen“ am Familiengericht.
Hier wurde nicht die Sachverständige getäuscht, sondern Mutter und Kind um eine seriöse Diagnostik und Therapie gebracht.
Das Jugendamt wird seinem Ruf als „Kinderklaubehörde“ einmal mehr gerecht. Inobhutnahmen, wo sie ohne jede Rechtfertigung sind, einerseits, zuschauen und abwarten bis Kinder zerteilt als Fleischstückchen im Kühlschrank liegen andererseits. Eine vernünftige Balance zwischen Desinteresse und Kompetenz und Überaktivität scheint man im Jugendamt landauf landab nicht finden zu können. Und das Gericht ? Es segnet Alles ungeprüft ab. Entscheidung aus der Ferne, nach Aktenlage. Oder ohne Aktenstudium, nach Gefühl. Hauptsache, die Akte ist vom Tisch und der pünktliche Feierabend ist gesichert.
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